Samstag, 8. März 2014

Buchkritik: Fabelhaft und wunderbar - Salli Sallmanns neue Prosa

Fabelhaft und wunderbar, Salli Sallmanns neue Prosa








Der Buckelspringer heißt dieser hochkomische Reigen aus 23 Erzählungen, Stories, und bedeutet die Rückkehr der Selbstironie in die Belletristik. 

Zu seinen Meistern zählt Sallmann den Franzosen Francois Rabelais (den Erzvater des Lachens im Roman), den Russen Daniel Charms, die Tschechen Jaroslav Hašek und Bohumil Hrabal, den Deutschen Kurt Tucholsky. 

Das zentrale Thema des Buches schlichtweg lautet: Der Ernst des Lebens und was uns "normale Mitteleuropäer persönlich am meisten beschäftigt". Da riet bereits Wilhelm Busch, was man ernst meint, sagt man am besten im Spaß. 

Salli Sallmann gehört zu den Autoren, die dieses Stilmittel nach ihrem Charakter entwickelten und glänzend beherrschen. Der eigentliche, dunkle Kern seines Schreibanlasses wird vom Autor solange spöttisch umkreist, bis der erzkomische Malstrom schließlich der Prosa obsiegt. 

Wie Programmmusik (der Autor ist auch begnadeter Songwriter) heißt es in der Erzählung "Hungern": "Die Welt geht aus dem Leim und ich kriege meine Hose nicht mehr zu...Ich werde fett …. Dickwerden ist keineswegs nur ein Problem der Eitelkeit, sondern auch der Finanzen..Nicht nur die Welt unterliegt einer sich ständig vertiefenden Finanzkrise, sondern auch ich. " Und das ist es, was wir sind. Und Salli Sallmann weiß das. 

Wir beschäftigen uns permanent mit uns nur selbst; wir kraulen ständig im Ozean umher unseres Suppentellers, und wir scheitern am laufenden Band zurecht mit unseren Plänen von einer besseren Welt, ob implizit, ob explizit, alles lauter egomanische Konvolute. 

Es gibt nur zwei unumstößliche Wahrheiten und gerade diese beiden beißen sich. Erstens: Wer lebt, will etwas zu lachen haben. Zweitens: Wenn zwei sich streiten, lacht am Ende der Dritte. Die wahre Figur des Dritten aber ist der Teufel. Und der steckt auch in den Details von Sallmanns Geschichten. 

Er ist permanent anwesend: Ob als Ausländer getarnt, der einem zu obskuren Handlungen treibt (Ein Ausländerproblem), im Nacken eines Studenten der moderne Literaturwissenschaft (Hilflos), beim erfolglosen Liebhaber, die die Zeit an der falschen Stelle misst, (Balzerowiak, Kartoffelbrei), im Nacken eines sich langweilenden Hausbesitzers mit einem Faible fürs Böse (MeyerMüller), unter Künstlern in einem Hinterhaus in der Kreuzberger Fürbringerstraße und ums Eck im „Café Mistral“ (Namm namm), beim Menschen, als Untertan des Tieres (Hundeanrachie), oder beim liebeshungrigen Versager (Der Buckelspringer), um einige herauszugreifen. 

In Sallis wunderbar zu lesenden Geschichten wird gehofft, gefuttert, getrunken, gesoffen, geflirtet und gegrapscht – keiner leidet ernsthaft und doch sind sie alle schwach und es wird  (wie lebensnah !) diese Schwäche immer und überall von der Stärke  unterdrückt. 

In diesem Buch kracht es von Gegensätzen, doch nur, damit alle am Ende die Wahrheit als Suche nach der Schönheit, nach der Tugend und nach dem Guten begreifen. Dass der Weg dorthin ein krummer Weg ist, auf dem nur vorankommt, wer auch kräftig lacht, macht einem Salli Sallmann in jeder seiner Geschichten klar. Ich finde das fabelhaft und wunderbar.


PS: Auch Salli Sallmanns Konzert-Lesungen (mit Buch und Gitarre) und seine Bandprojekte (CDs) sind sehr zu empfehlen.

Salli Sallmann, Der Buckelspringer: Stories, 200 Seiten, KLAK Verlag, Broschiert 14,90 €, Kindle Edition 8,99 €.

Vielen Dank und bleiben Sie dran!

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