Samstag, 9. November 2013

Nacht der Schande: die Pogromnacht vom 9. November 1938

 November 2013 | Von AFP

Pogromnacht vom 9. November 1938: Zentral koordinierter Gewaltexzess gegen Juden






Die Pogromnacht des 9. November 1938 zählt zu den Schlüsseldaten der deutschen Geschichte. Wenige historische Ereignisse sind so genau dokumentiert und erforscht worden wie die Angriffe von Nazi-Schlägertrupps und normalen Bürgern auf die deutschen Juden. Eine derartige, mittelalterlich anmutende Gewaltorgie hatten die Opfer, aber auch viele Deutsche und ausländische Beobachter bis dato für unmöglich gehalten.


Die Kristallnacht vom 9. November 1938 (© dpa Picture alliance)
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In Berlin brannten in der Kristallnacht viele Synagogen.
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Bei den Novemberpogromen wurden in Deutschland, Österreich und den von Deutschland besetzten Teilen Tschechiens mehr als 1400 teils jahrhundertealte Synagogen zerstört, viele wurden in Brand gesetzt. Zudem wurden rund 7500 jüdische Geschäfte und Wohnungen geplündert oder verwüstet. In vielen Städten wurden Juden auf Straßen gezerrt und gedemütigt.
Etwa 90 Menschen tötete der Mob, hunderte weitere Opfer starben in Konzentrationslagern. Denn parallel zu dem Pogrom hatten die Behörden eine großangelegte Verhaftungswelle gestartet, die sich gegen rund 30.000 Menschen richtete. Vor allem vermögende Juden sollten terrorisiert und zur Auswanderung und Abtretung ihres Besitzes genötigt werden.
Zentral koordinierte Gewalt
Bis weit in die Nachkriegszeit hinein wurden die Ereignisse auch als "Reichskristallnacht" bezeichnet. Der verharmlosende Ausdruck bezieht sich wohl auf die vielen Fensterglasscherben, die nach den Übergriffen auf den Straßen lagen. Woher er genau stammt, lässt sich Historikern zufolge aber nicht mehr klären.
Die Nazi-Führung versuchte, die Pogrome als spontanen Ausdruck sogenannten Volkszorns gegen Juden darzustellen. Tatsächlich war der Zerstörungs- und Raubzug zentral koordiniert und fiel in eine Zeit eskalierender Hetze gegen die Juden. Längerfristig geplant war er nach heutigem Kenntnisstand allerdings nicht.
Auslöser war Attentat in Paris
Konkreter Auslöser war das Attentat auf einen deutschen Diplomaten in Paris, das von einem Juden verübt worden war. Nach Bekanntwerden des Todes des Opfers gab Propagandaminister Joseph Goebbels während einer NS-Parteiveranstaltung am Abend des 9. Novembers in München die Losung aus, die Partei würde "spontane" Protestaktionen nicht behindern, wenn es sie denn gäbe.
Die dort versammelten Führer der NS-Schlägertruppe SA und anderer Gruppierungen deuteten dies als Aufforderung zum Losschlagen und gaben per Telefon entsprechende Befehle durch. Überall im Land machten sich Angehörige von SA, Partei und Hitlerjugend auf den Weg. Vielerorts beteiligten sich auch ganz normale Bürger. Die NS-Polizeiführung steuerte das Geschehen mit "Richtlinien" aus Berlin. Sie legte unter anderem fest, dass keine Ausländer und Nicht-Juden attackiert werden durften.
Wendepunkt in der antijüdischen NS-Politik
Historisch gilt die Pogromnacht als zentraler Wendepunkt in der antijüdischen Politik des NS-Regimes. Den Opfern machte sie auf traumatische Weise klar, dass sie in ihrem eigenen Land endgültig zu Freiwild geworden waren und von ihren Mitbürgern keinen Schutz erwarten konnten.
Die NS-Führung leitete aus den Gewaltaktionen ihre eigenen Schlüsse ab. Propagandistisch waren sie kein bahnbrechender Erfolg. Wie aus Spitzel- und Lageberichten der Partei und der Polizei hervorgeht, kritisierten viele Deutsche die Methoden der Nazi-Schläger als unzivilisiert.
Sorge um Ansehen Deutschlands
Derartige Äußerungen fielen in aller Regel nicht aus Mitgefühl mit den Juden, sondern aus Sorge vor dem Ansehen Deutschlands und anderen eigennützigen Motiven. Für die stets sensibel auf die öffentliche Meinung reagierende Nazi-Spitze war das Warnzeichen genug: Goebbels gab in seinen Zensuranweisungen an die Presse schon am 10. November an, Berichte über die Ereignisse "nicht allzu groß" aufzumachen.
In der Folge änderte sich die Strategie der Judenverfolgung, während sie sich zugleich massiv verschärfte: Nach den Pogromen übernahmen die antisemitischen radikalen Vordenker in SS und Reichsbehörden das Ruder und trieben die Ausplünderung und Entrechtung der Juden systematisch voran - ohne Aufsehen erregende öffentliche Gewaltausbrüche, aber mit jener bürokratischen Präzision eines staatlichen Terrorapparats, die schließlich bis hinein in die Gaskammern der Vernichtungslager führen sollte.

Offener Brief: An den Geschäftsführer Lars Kleba, Die Linke Sachsen, und Protestschreiben des P.E.N. Zentrums deutschsprachiger Autoren gegen die Willkürmaßnahme des Oberbürgermeisters von Reichenbach (Vogtland), Henry Ruß

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