Mittwoch, 5. September 2012

Veranstaltungskritik: Ein perfektes Konzert. Der einstige "Sänger der DDR" (Böll) mit einem Benefizkonzert im ehemaligen Zuchthaus Cottbus


Die perfekte Show – Das Benefizkonzert mit Wolf Biermann im ehemaligen Zuchthaus Cottbus am 04.09.2012 19.30 bis 21.30 Uhr





"Hinter das Gitter kann ich ja nicht!" rief scherzend Wolf Biermann in das Publikum hinein, das sich zur stehenden Ovation erhoben hatte. Ein Schauspieler habe einen Vorhang, hinter dem er sich kurz verbergen könne. Gemeint ist ein breiter Käfigraum mit breitem Stahlgitter, vor dem Wolf Biermann sein Konzert in der Pentacon-Halle des ehemaligen Zuchthauses Cottbus gegeben hat. Hier wurden einst vorwiegend von politischen Gefangenen im Dreischichtsystem Fotokamerateile im Akkord gestanzt.  Das "Gitter" wurde vom Wachpersonal zur Absonderung sabotierender Strafgefangener benutzt. Unter den Strafgefangenen kursierte der Ausdruck "Eisschrank". Vor dem "Gitter" befand sich ein offenes Abzugsfenster. Vor allem im Winter wurde es da ziemlich ungemütlich.  Gemütlich geht es auch bei Wolf-Biermann-Konzerten nicht zu, aber ein Konzert soll schließlich auch aufregend sein - und nicht gemütlich.  Das Konzert  mit Wolf Biermann war schlichtweg die perfekte Show.  Warum? Wir erleben auf der Bühne die Songs eines Lebens mit samt der dazugehörigen Biografie.  Es gab einmal einen Slogan, der hieß, es ist der Sänger, nicht der Song.  Biermanns Attitüde ist größer, sie ist  echt. Wenige können auf der Bühne ganz groß erzählen und einem ihre Lieder ins Ohr schmeicheln.  Die Gitarre  bassbetont, mit Zusatzvolumen also, führte die musikalische Odyssee durch realistische Landschaften, mit unwirklich scheinenden verrückten Geschichten.  Der Exkurs führte durch die die Städte Berlin, Hamburg, Paris, dann  ging es nach Südfrankreich, am Schluss gar nach Griechenland. Aberwitzige altbekannte Balladen von betonköpfigen Politgestalten der zweiten deutschen Diktatur, bissige Westimpressionen, und natürlich die  großen Namen der Literatur wie Arno Lustiger, Mànes Sperber,  Emile Cioran oder auch Jürgen Fuchs, Siegmar Faust, seine Begegnungen, Gespräche und Grade der Freundschaft mit ihnen. Es war eine aufregende musikalische Reise.  Sicher auch für die zahlreichen aus allen Orten Deutschlands angereisten ehemaligen politischen Gefangenen dieses Haftortes. Mancher unter ihnen hatte Lieder von Wolf Biermann in der Isolationszelle, auf Arrest, gesungen oder im Haftalltag, auf Schicht, an der Stanze. Man stattete sich so mit Seelenwärme gegen „Eisschränke“ aus. Das war ja das Verrückte. Ein Häftling sang an der Stanze laut „Die Stasiballade“. Ein Zivilmeister hört das. Zivilmeister an Schließer. Schließer zum Gefangenen. Auch so kam man für eine Schicht „hinter das Gitter!“. Gefangener: „Eines Tages wird hier Biermann persönlich erscheinen!“ Schließer: „Klar, als Strafgefangener!“ Gefangener: “Nee, mit eem Konzert, Alter!“ Schließer lacht hämisch. Und nun sang Wolf Biermann wirklich hier wie herbeizitiert - und es wurde wirklich viel und herzlich gelacht. Als Wolf Biermann abends im Dunkel gegen 22. 00 Uhr aus der alten Stanzhalle mit einer Plastikschale voll weißer Weintrauben in den Händen trat, nickte er einigen „Ehemaligen“  zu: “ macht‘s gut, ihr Helden!“ Einer rief: „Du [aber] auch!“  




Offener Brief: An den Geschäftsführer Lars Kleba, Die Linke Sachsen, und Protestschreiben des P.E.N. Zentrums deutschsprachiger Autoren gegen die Willkürmaßnahme des Oberbürgermeisters von Reichenbach (Vogtland), Henry Ruß

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