Ahmet Altan: «Sie können mich einsperren – halten können sie mich nicht»
Seit
mehr als einem Jahr sitzt der türkische Schriftsteller und
Journalist Ahmet Altan im Gefängnis. In einem bewegenden Manifest
erklärt er, warum ihn die Haft nicht brechen kann.
Seit
mehr als einem Jahr sitzt der türkische Schriftsteller und
Journalist Ahmet Altan im Gefängnis. In einem bewegenden Manifest
erklärt er, warum ihn die Haft nicht brechen kann.
Unbequeme Stimme
as.
· Ahmet Altan, 1950 in Ankara geboren, sitzt seit mehr als einem
Jahr in der Türkei in Haft. Der Schriftsteller und Journalist hatte
in einer Fernsehsendung unmittelbar vor dem Putschversuch am 15. Juli
gesagt, die AKP werde ihre Macht verlieren, was ihm postwendend als
«Mittäterschaft» am Staatsstreich ausgelegt wurde. Die Äußerung
war ein bequemer Vorwand, eine unbequeme Stimme zum Schweigen zu
bringen: Altan hatte als Journalist und später als Herausgeber der
Zeitung «Taraf» immer wieder kritisch gegen die Machthaber in der
Türkei Position bezogen und auch Tabuthemen wie die Diskriminierung
der Kurden und den Völkermord an den Armeniern aufgegriffen. Daneben
trat er als Verfasser mehrerer Romane hervor. Zusammen mit ihm wurde
sein Bruder Mehmet, Professor für Volkswirtschaft und ebenfalls
publizistisch tätig, verhaftet und angeklagt; die Brüder werden im
selben Gefängnis festgehalten, dürfen einander aber nicht sehen.
Das Manuskript des abgedruckten Beitrags konnte Altans Anwalt aus der
Haftanstalt schmuggeln.
„Ich
schreibe diese Worte in der Gefängniszelle“
«Ich
schreibe diese Worte in einer Gefängniszelle»: Mit diesen Worten
beginnt der türkische Schriftsteller Ahmet Altan sein Manifest, das
er über seinen Anwalt aus der Haftanstalt schmuggeln konnte. Altan
sitzt seit mehr als einem Jahr in der Türkei in Haft, «in einem
Hochsicherheitsgefängnis draußen im Nirgendwo». Der Schriftsteller
und Journalist hatte immer wieder kritisch gegen die Machthaber in
der Türkei Position bezogen und auch Tabuthemen wie die
Diskriminierung der Kurden und den Völkermord an den Armeniern
aufgegriffen. «Ich schreibe
diese Worte in einer Gefängniszelle», schreibt er nun also, nach
seiner Verhaftung. Und er fügt kraftvoll hinzu: «Aber ich bin nicht
im Gefängnis. Ich bin Schriftsteller. Ich bin weder dort, wo ich
bin, noch dort, wo ich nicht bin. Ihr könnt mich gefangen setzen,
aber ihr könnt mich nicht gefangen halten.» Ungekürzt untenstehend
sein Manifest, dessen deutsche Übersetzung die NZZ exklusiv
publiziert.
as.
· Ahmet Altan, 1950 in Ankara geboren, sitzt seit mehr als einem
Jahr in der Türkei in Haft. Der Schriftsteller und Journalist hatte
in einer Fernsehsendung unmittelbar vor dem Putschversuch am 15. Juli
gesagt, die AKP werde ihre Macht verlieren, was ihm postwendend als
«Mittäterschaft» am Staatsstreich ausgelegt wurde. Die Äußerung
war ein bequemer Vorwand, eine unbequeme Stimme zum Schweigen zu
bringen: Altan hatte als Journalist und später als Herausgeber der
Zeitung «Taraf» immer wieder kritisch gegen die Machthaber in der
Türkei Position bezogen und auch Tabuthemen wie die Diskriminierung
der Kurden und den Völkermord an den Armeniern aufgegriffen. Daneben
trat er als Verfasser mehrerer Romane hervor. Zusammen mit ihm wurde
sein Bruder Mehmet, Professor für Volkswirtschaft und ebenfalls
publizistisch tätig, verhaftet und angeklagt; die Brüder werden im
selben Gefängnis festgehalten, dürfen einander aber nicht sehen.
Das Manuskript des abgedruckten Beitrags konnte Altans Anwalt aus der
Haftanstalt schmuggeln.
„Ich
schreibe diese Worte in der Gefängniszelle“
«Ich
schreibe diese Worte in einer Gefängniszelle»: Mit diesen Worten
beginnt der türkische Schriftsteller Ahmet Altan sein Manifest, das
er über seinen Anwalt aus der Haftanstalt schmuggeln konnte. Altan
sitzt seit mehr als einem Jahr in der Türkei in Haft, «in einem
Hochsicherheitsgefängnis draußen im Nirgendwo». Der Schriftsteller
und Journalist hatte immer wieder kritisch gegen die Machthaber in
der Türkei Position bezogen und auch Tabuthemen wie die
Diskriminierung der Kurden und den Völkermord an den Armeniern
aufgegriffen. «Ich schreibe
diese Worte in einer Gefängniszelle», schreibt er nun also, nach
seiner Verhaftung. Und er fügt kraftvoll hinzu: «Aber ich bin nicht
im Gefängnis. Ich bin Schriftsteller. Ich bin weder dort, wo ich
bin, noch dort, wo ich nicht bin. Ihr könnt mich gefangen setzen,
aber ihr könnt mich nicht gefangen halten.» Ungekürzt untenstehend
sein Manifest, dessen deutsche Übersetzung die NZZ exklusiv
publiziert.
Ahmet Altan: «Sie können mich einsperren – halten können sie mich nicht»
Ahmet
Altan10.10.2017, 05:30 Uhr
«Ein
Objekt in Bewegung ist weder dort, wo es ist, noch dort, wo es nicht
ist» – so die Implikation von Zenons berühmtem Paradox. Schon
früh kam ich zu dem Schluss, dass dieses Paradox zur Literatur, und
erst recht zum Schriftsteller, viel besser passt als zur Physik.
Ich schreibe diese Worte in einer Gefängniszelle.
Fügen Sie den Satz «Ich schreibe diese Worte in einer
Gefängniszelle» irgendeiner Erzählung bei, und sie wird dadurch
eine vibrierende Innenspannung gewinnen, den Klang einer Stimme, die
sich furchteinflössend aus einer dunklen, mysteriösen Welt erhebt;
die von der Unbeugsamkeit des Geknechteten spricht und unüberhörbar
Mitleid einfordert.
Bevor Sie die Trommeln des Erbarmens zu rühren
beginnen, sollten Sie erst einmal hören, was ich Ihnen zu erzählen
habe.
Es ist ein gefährlicher Satz; er kann dazu dienlich
sein, die Gefühle anderer Menschen auszunutzen. Und Schriftsteller
sind nicht immer gegen die Versuchung gefeit, Sprache und die
Emotionen, die sie wachruft, in einer Weise zu verwenden, die ihren
eigenen Interessen dient. Sogar wenn die Leser das realisieren, mögen
sie immer noch geneigt sein, Erbarmen mit dem Schriftsteller zu
haben.
Aber halt. Bevor Sie die Trommeln des Erbarmens zu
rühren beginnen, sollten Sie erst einmal hören, was ich Ihnen zu
erzählen habe.
Ja, ich werde in einem
Hochsicherheitsgefängnis draussen im Nirgendwo festgehalten.
Ja, ich lebe in einer Zelle, deren Tür sich mit dem
schweren Klang von Eisen öffnet und schliesst.
Ja, das Essen wird mir durch einen Schlitz in der Türe
gereicht.
Ja, auch der kleine, steingeflieste Hof, wo ich auf und
ab gehe, ist mit stählernen Gittern gedeckt.
Ja, ich darf niemanden sehen ausser meinem Anwalt und
meinen Kindern; ich darf nicht einmal zwei Zeilen an meine Lieben
schicken.
Ja, wenn ich ins Spital muss, ziehen sie ein Paar
Handschellen aus einem ganzen Bündel eiserner Gerätschaften und
legen sie mir an.
Ja, wann immer sie mich aus der Zelle holen, schlagen
mir Befehle wie «Arme hoch, Schuhe ausziehen» ins Gesicht.
All das ist wahr, aber es ist nicht die ganze Wahrheit.
Bis heute bin ich nicht ein Mal im Gefängnis erwacht –
nie.
An Sommermorgen, wenn die ersten Sonnenstrahlen durchs
nackte, vergitterte Fenster dringen und sich wie leuchtende Speere in
mein Kissen bohren, lausche ich dem munteren Gesang der Zugvögel,
die draussen auf der Traufe genächtigt haben, und dem seltsamen,
trockenen Geräusch, das entsteht, wenn die Häftlinge beim Hofgang
auf eine Plasticflasche treten.
Dann glaube ich, im Gartenpavillon meines Elternhauses
zu sein, oder – ich kann selbst nicht sagen, warum – in einem
kleinen Hotel an einer jener belebten Pariser Strassen, die man aus
«Irma la Douce» kennt.
Wenn ich aufwache und wütender Nordwind den Herbstregen
gegen mein Fenster peitscht, dann beginne ich meinen Tag in einem
Hotel am Ufer der Donau, vor dessen Tor jede Nacht Fackeln entzündet
werden. Wenn mich das Geflüster des Schnees weckt, der sich auf dem
Sims häuft, dann finde ich mich hinter dem Fenster der Datscha, in
der Doktor Schiwago Zuflucht fand.
Bis heute bin ich nicht ein Mal im Gefängnis erwacht –
nie.
Und das ist noch nichts im Vergleich zu meinen
nächtlichen Abenteuern. Ich streife über thailändische Inseln,
durch Londoner Hotels, die Strassen Amsterdams, die geheimen
Labyrinthe von Paris, die Istanbuler Restaurants am Bosporusufer, die
kleinen Parks, die sich zwischen den Strassen von New York verbergen,
durch die schneeverwehten Strassen einer Kleinstadt in Alaska.
Ich habe Freunde auf der ganzen Welt, die mir beim
Reisen helfen, auch wenn ich die meisten von ihnen nie gesehen habe.
Sie können mir am Ufer des Amazonas begegnen, an einem
mexikanischen Strand, in den Savannen Afrikas. Tagein, tagaus rede
ich mit Menschen, die keiner sieht oder hört, Menschen, die nicht
existieren, deren Existenz erst an dem Tag beginnen wird, da ich über
sie schreibe. Ich lausche, während sie sich miteinander unterhalten.
Ich lebe ihre Liebe, ihre Abenteuer, ihre Hoffnungen, Kümmernisse
und Freuden. Manchmal lache ich leise während des Hofgangs, weil
ihre Gespräche ziemlich unterhaltsam sein können. Und weil ich sie
hier im Gefängnis nicht auf Papier bannen will, schreibe ich mir all
das mit der dunklen Tinte des Gedächtnisses direkt ins Hirn.
Ich weiß, dass ich ein Schizophrener bin, solange alle
diese Leute in meinem Kopf wohnen bleiben. Ich weiß aber auch, dass
ich ein Schriftsteller bin und dass diese Leute sich eines Tages in
den Sätzen auf den Seiten eines Buches wiederfinden werden. Ich
vergnüge mich damit, wie auf einer Schaukel zwischen Schizophrenie
und Autorschaft hin und her zu schwingen. Ich erhebe mich in die Luft
wie Rauch und verlasse das Gefängnis an der Seite der Menschen, die
in meinen Gedanken leben. Sie – die anderen – mögen die Macht
haben, mich ins Gefängnis zu sperren; im Gefängnis halten können
sie mich nicht.
Hinter der stählernen Wehr meiner Bücher bin ich
unverletzlich.
Ich bin Schriftsteller.
Ich bin weder dort, wo ich bin, noch dort, wo ich nicht
bin.
Wo auch immer ihr mich einsperrt, werde ich die Welt auf
den Flügeln meiner Gedanken bereisen.
Und obendrein habe ich Freunde auf der ganzen Welt, die
mir beim Reisen helfen, auch wenn ich die meisten von ihnen nie
gesehen habe.
Jedes Auge, das liest, was ich schreibe, jede Stimme,
die meinen Namen nennt, nimmt mich bei der Hand wie eine kleine Wolke
und lässt mich über die Ebenen fliegen, die Quellen, die Wälder,
die Meere, die Städte und Strassen. Ohne grosse Worte gewähren sie
mir Gastrecht in ihren Häusern, ihren Hallen, ihren Zimmern.
In einer Gefängniszelle bereise ich die ganze
Welt.
Sie haben es wohl erraten: Ich besitze eine göttliche
Arroganz – eine, die selten eingestanden wird, die aber den
Schriftstellern ureigen ist und von einer Generation zur nächsten
weitergereicht wird. Ich besitze ein Selbstvertrauen, das wie eine
Perle in der harten Schale der Literatur wächst. Hinter der
stählernen Wehr meiner Bücher bin ich unverletzlich.
Ich schreibe dies in einer Gefängniszelle.
Aber ich bin nicht im Gefängnis.
Ich bin Schriftsteller.
Ich bin weder dort, wo ich bin, noch dort, wo ich nicht
bin.
Ihr könnt mich gefangen setzen, aber ihr könnt mich
nicht gefangen halten.
Weil ich die
Zaubermacht habe, die allen Schriftstellern eigen ist. Ich kann
mühelos durch Wände gehen.
Der Text Ahmet Altans
erschien in einer von Yasemin Çongar besorgten englischen
Übersetzung auf der Website der Society of Authors. Aus dem
Englischen von as.
Ahmet
Altan10.10.2017, 05:30 Uhr
«Ein
Objekt in Bewegung ist weder dort, wo es ist, noch dort, wo es nicht
ist» – so die Implikation von Zenons berühmtem Paradox. Schon
früh kam ich zu dem Schluss, dass dieses Paradox zur Literatur, und
erst recht zum Schriftsteller, viel besser passt als zur Physik.
Ich schreibe diese Worte in einer Gefängniszelle.
Fügen Sie den Satz «Ich schreibe diese Worte in einer
Gefängniszelle» irgendeiner Erzählung bei, und sie wird dadurch
eine vibrierende Innenspannung gewinnen, den Klang einer Stimme, die
sich furchteinflössend aus einer dunklen, mysteriösen Welt erhebt;
die von der Unbeugsamkeit des Geknechteten spricht und unüberhörbar
Mitleid einfordert.
Bevor Sie die Trommeln des Erbarmens zu rühren
beginnen, sollten Sie erst einmal hören, was ich Ihnen zu erzählen
habe.
Es ist ein gefährlicher Satz; er kann dazu dienlich
sein, die Gefühle anderer Menschen auszunutzen. Und Schriftsteller
sind nicht immer gegen die Versuchung gefeit, Sprache und die
Emotionen, die sie wachruft, in einer Weise zu verwenden, die ihren
eigenen Interessen dient. Sogar wenn die Leser das realisieren, mögen
sie immer noch geneigt sein, Erbarmen mit dem Schriftsteller zu
haben.
Aber halt. Bevor Sie die Trommeln des Erbarmens zu
rühren beginnen, sollten Sie erst einmal hören, was ich Ihnen zu
erzählen habe.
Ja, ich werde in einem Hochsicherheitsgefängnis draussen im Nirgendwo festgehalten.
Ja, ich werde in einem Hochsicherheitsgefängnis draussen im Nirgendwo festgehalten.
Ja, ich lebe in einer Zelle, deren Tür sich mit dem
schweren Klang von Eisen öffnet und schliesst.
Ja, das Essen wird mir durch einen Schlitz in der Türe
gereicht.
Ja, auch der kleine, steingeflieste Hof, wo ich auf und
ab gehe, ist mit stählernen Gittern gedeckt.
Ja, ich darf niemanden sehen ausser meinem Anwalt und
meinen Kindern; ich darf nicht einmal zwei Zeilen an meine Lieben
schicken.
Ja, wenn ich ins Spital muss, ziehen sie ein Paar
Handschellen aus einem ganzen Bündel eiserner Gerätschaften und
legen sie mir an.
Ja, wann immer sie mich aus der Zelle holen, schlagen
mir Befehle wie «Arme hoch, Schuhe ausziehen» ins Gesicht.
All das ist wahr, aber es ist nicht die ganze Wahrheit.
Bis heute bin ich nicht ein Mal im Gefängnis erwacht –
nie.
An Sommermorgen, wenn die ersten Sonnenstrahlen durchs
nackte, vergitterte Fenster dringen und sich wie leuchtende Speere in
mein Kissen bohren, lausche ich dem munteren Gesang der Zugvögel,
die draussen auf der Traufe genächtigt haben, und dem seltsamen,
trockenen Geräusch, das entsteht, wenn die Häftlinge beim Hofgang
auf eine Plasticflasche treten.
Dann glaube ich, im Gartenpavillon meines Elternhauses
zu sein, oder – ich kann selbst nicht sagen, warum – in einem
kleinen Hotel an einer jener belebten Pariser Strassen, die man aus
«Irma la Douce» kennt.
Wenn ich aufwache und wütender Nordwind den Herbstregen
gegen mein Fenster peitscht, dann beginne ich meinen Tag in einem
Hotel am Ufer der Donau, vor dessen Tor jede Nacht Fackeln entzündet
werden. Wenn mich das Geflüster des Schnees weckt, der sich auf dem
Sims häuft, dann finde ich mich hinter dem Fenster der Datscha, in
der Doktor Schiwago Zuflucht fand.
Bis heute bin ich nicht ein Mal im Gefängnis erwacht –
nie.
Und das ist noch nichts im Vergleich zu meinen
nächtlichen Abenteuern. Ich streife über thailändische Inseln,
durch Londoner Hotels, die Strassen Amsterdams, die geheimen
Labyrinthe von Paris, die Istanbuler Restaurants am Bosporusufer, die
kleinen Parks, die sich zwischen den Strassen von New York verbergen,
durch die schneeverwehten Strassen einer Kleinstadt in Alaska.
Ich habe Freunde auf der ganzen Welt, die mir beim
Reisen helfen, auch wenn ich die meisten von ihnen nie gesehen habe.
Sie können mir am Ufer des Amazonas begegnen, an einem
mexikanischen Strand, in den Savannen Afrikas. Tagein, tagaus rede
ich mit Menschen, die keiner sieht oder hört, Menschen, die nicht
existieren, deren Existenz erst an dem Tag beginnen wird, da ich über
sie schreibe. Ich lausche, während sie sich miteinander unterhalten.
Ich lebe ihre Liebe, ihre Abenteuer, ihre Hoffnungen, Kümmernisse
und Freuden. Manchmal lache ich leise während des Hofgangs, weil
ihre Gespräche ziemlich unterhaltsam sein können. Und weil ich sie
hier im Gefängnis nicht auf Papier bannen will, schreibe ich mir all
das mit der dunklen Tinte des Gedächtnisses direkt ins Hirn.
Ich weiß, dass ich ein Schizophrener bin, solange alle
diese Leute in meinem Kopf wohnen bleiben. Ich weiß aber auch, dass
ich ein Schriftsteller bin und dass diese Leute sich eines Tages in
den Sätzen auf den Seiten eines Buches wiederfinden werden. Ich
vergnüge mich damit, wie auf einer Schaukel zwischen Schizophrenie
und Autorschaft hin und her zu schwingen. Ich erhebe mich in die Luft
wie Rauch und verlasse das Gefängnis an der Seite der Menschen, die
in meinen Gedanken leben. Sie – die anderen – mögen die Macht
haben, mich ins Gefängnis zu sperren; im Gefängnis halten können
sie mich nicht.
Hinter der stählernen Wehr meiner Bücher bin ich
unverletzlich.
Ich bin Schriftsteller.
Ich bin weder dort, wo ich bin, noch dort, wo ich nicht
bin.
Wo auch immer ihr mich einsperrt, werde ich die Welt auf
den Flügeln meiner Gedanken bereisen.
Und obendrein habe ich Freunde auf der ganzen Welt, die
mir beim Reisen helfen, auch wenn ich die meisten von ihnen nie
gesehen habe.
Jedes Auge, das liest, was ich schreibe, jede Stimme,
die meinen Namen nennt, nimmt mich bei der Hand wie eine kleine Wolke
und lässt mich über die Ebenen fliegen, die Quellen, die Wälder,
die Meere, die Städte und Strassen. Ohne grosse Worte gewähren sie
mir Gastrecht in ihren Häusern, ihren Hallen, ihren Zimmern.
In einer Gefängniszelle bereise ich die ganze
Welt.
Sie haben es wohl erraten: Ich besitze eine göttliche Arroganz – eine, die selten eingestanden wird, die aber den Schriftstellern ureigen ist und von einer Generation zur nächsten weitergereicht wird. Ich besitze ein Selbstvertrauen, das wie eine Perle in der harten Schale der Literatur wächst. Hinter der stählernen Wehr meiner Bücher bin ich unverletzlich.
Sie haben es wohl erraten: Ich besitze eine göttliche Arroganz – eine, die selten eingestanden wird, die aber den Schriftstellern ureigen ist und von einer Generation zur nächsten weitergereicht wird. Ich besitze ein Selbstvertrauen, das wie eine Perle in der harten Schale der Literatur wächst. Hinter der stählernen Wehr meiner Bücher bin ich unverletzlich.
Ich schreibe dies in einer Gefängniszelle.
Aber ich bin nicht im Gefängnis.
Ich bin Schriftsteller.
Ich bin weder dort, wo ich bin, noch dort, wo ich nicht
bin.
Ihr könnt mich gefangen setzen, aber ihr könnt mich
nicht gefangen halten.
Weil ich die
Zaubermacht habe, die allen Schriftstellern eigen ist. Ich kann
mühelos durch Wände gehen.
Der Text Ahmet Altans
erschien in einer von Yasemin Çongar besorgten englischen
Übersetzung auf der Website der Society of Authors. Aus dem
Englischen von as.