Donnerstag, 5. Juni 2014

Buchkritik: Das Gedicht als "Rechtsraum des Aufstandes" oder Schwierigkeiten des postmodernen politischen Gedichtes

05. Juni 14 , 20:30

Das Gedicht als "Rechtsraum des Aufstandes" oder Schwierigkeiten des postmodernen politischen Gedichtes

Kategorie: Kultur, Bücher 





Berlin, Deutschland (Weltexpress). Der Postmoderne gilt als radikale Abrechnung mit der vorausgegangenen Moderne, der reiner Automatismus und auf der gesellschaftlichen Ebene gar Despotismus vorgeworfen wurde. Nachweisen lässt sich der Begriff bereits Mitte des 19. Jahrhunderts. Der Blütezeit Georg Herweghs, Ferdinand Freiligraths, Heinrich Heines. Dass das Neue das Alte überbieten will, liegt in der Natur der Sache.

© Lyrik Edition 2000
Der aktuell wirkenden Postmoderne wird ihre 

Beliebigkeit zu wichtigen Fragen in Kultur und 

Gesellschaft zur Last gelegt, die zudem seit den 2000ern ein Epigonentum in alle 

Richtungen vorführe und sich hinter wissenschaftlichen Idiomen wie Intertextualität 

(„Axolotl-Roadkill“) verschanze. Neu ist wohl die Melange aus Sarkasmus, Ironie und 

künstlicher Betroffenheit. "Trauriger Radikalismus" macht auch die Runde.

Damit hat das zu rezensierende Buch zwar wenig zu tun, doch zumindest den Vorwurf des 

Epigonentums muss sich auch das Langgedicht "Kampfansage" von Boris Preckwitz gefallen 

lassen. Denn vor dem Leser erhebt sich ein Mega-Textkörper in Wladimir Majakowskis 

Jacke. Und von Majakowski lieh sich Preckwitz Form und Standpunkt.

Auch mir
            wächst die Agitpropkunst
                                                 zum Hals heraus,
                                                                        auch ich
                                                                                     schriebe
Goldschnitt und Fliederstrauß -
                                             Doch ich
                                                         bezwang mich,
                                                                              trat
bebenden Hauchs
                         dem eigenen Lied
                                                   auf die Kehle.
                                                               
(Jürgen Rühle, Revolution und Literatur, S. 49)

Majakowski sang den Staat (UDSSR), Führer (Lenin), die Partei (KPdSU) und den 

Kommunismus an, er war stolz auf seine „parteigetreuen Bücher“(Rühle, S. 50).

Inhaltlich versucht Preckwitz in seinem postmoderner Hymnus "Kampfansage" zwar genau 

das Gegenteil und wütet gegen den ihn betreffenden Staat wie gegen das ihn betreffende 

Europa, doch erstarrt,- eben anders als bei Majakowski - sein Gedicht, wie auch schon 

von Burkhard Müller in der „Süddeutschen Zeitung“ vom 29. Januar 2013 kritisiert, in 

einem bloßen Gewimmel von Substantiven.

Zitat:

„Der Staat
              steckt nicht in der Krise
                                                der Staat ist die Krise.
So auch ist: die Krise System
                                          Und also: System das Feindesland.
Denn: Kapitalismus ist Krieg,
                                         der an Verarmenden verübt wird.
"

Preckwitz rät folgend mit Lenin und Thoreau:

Was tun?
            Laß dein Leben
                                  der Reibstoff sein,
der die Maschine zum Stehen bringt.

(Preckwitz, S. 27)

Die Postmoderne greift auf ihre Meister zurück und schießt mit Vorwürfe wie am 

Stammtisch (inklusive Wortungetüme wie "Wahlmonegassen"): gegen die Bundesrepublik 

("der Staat ist die Krise") oder Griechenland („Fäkalistan“) und all die Staatsdiener ("das 

große Geprasse“) und ganz beiläufig werden als Gegenmaßnahme "Leninisten mit Knarren" 

(sic) heraufbeschworen. Doch weist der Autor Wege wirklich aus der Misere? Eigentlich 

nicht. Muss er auch nicht.

Dafür schrappt Preckwitz hart am Ultranationalismus vorbei, wenn es heißt "Nicht Staat 

ist mir Heimat, / Heimat ist mir mein Land, /.../ Deutschland /.../ : Heimstatt / : 

Herzland." Simpler, abseits  des künstlerischen Anspruchs, heißt das bei 

Rechtsextremen:"Ich hasse den Staat, / aber ich liebe mein Land".

Auch der "Rechtsraum des Aufstandes" im Gedicht "Euroskepsis" anerkennt nichts, was der 

Europäischen Union („Brüsseler Byzantinismus“) zu Gute gehalten werden könnte, 

stattdessen "im luftschloß zu brüssel" der "zwangsstaat", wo die "kader ... schmarotzen".

Dennoch: Preckwitz lässt Dampf ab, das ist sein Recht, dabei schaut er dem sogenannten 

Wutbürger aufs Maul und versammelt und collagiert dessen Vorwürfe auf dem 

uneinnehmbaren Platz des Gedichts.

Da wird, wie Burkhard Müller bemerkt, ein "bestimmter Menschen-, Sprach- und 

Landschaftstyp" geliebt, "ohne die Pflichten eines Staatsbürgers anerkennen zu wollen". 

Und er fragt ganz richtig: "Geht das überhaupt, und wäre es zu wünschen?"

Verbunden mit dieser Frage wäre Preckwitz' schmaler Band zumindest als neuer Zündstoff 

für die sich etablierenden Montagsdemos eine interessante Überlegung. Von Juni bis 

November 2014 ist Boris Preckwitz Stadtschreiber von Dresden.

* * *
Boris Preckwitz. Kampfansage. Gedichte und Essays. 71 Seiten. Lyrik Edition 2000. Herausgegeben von Florian Voß.

Von: Axel Reitel

Quelle: http://www.weltexpress.de/ (Stand 06.06.2014)

Montag, 2. Juni 2014

Buchkritik: Strohblumenzeit. Ein Roman von Karsten Dümmel

Erschienen in Ausgabe: No 100 (06/2014)Letzte Änderung: 01.06.14 (gestern)


„Strohblumenzeit ist Winterzeit“

von Axel Reitel




Die Überschrift steht im Roman „Strohblumenzeit“ und ja, dieser Romancier kann sich sehen lassen, denn er beschreibt, und das in ganz hervorragender Form, eine Wahrheit.

„Achtung! Liebesverhältnis!“ Diesen Stasivermerk las der Rezensent in der Observierungsakte seines Bruders. Die in der DDR verbliebene Verlobte des Bruders hielt auch nach dessen Freikauf an der Beziehung fest. Es folgten der Antrag auf Eheschließung mit anschließendem Wohnsitz in Berlin (West), Karlsbad-Treffen, Schwangerschaft, dann ab dem dritten Monat Totenstille: die Verlobte wurde bearbeitet: dann der tödliche Unfall des Bruders

Ähnliches geschieht in Dümmels zweitem Roman. Das Ostberliner Schreibtalent Arno K., Jahrgang 1950, rückt wegen seines „Liebesverhältnisses“ mit einer Studentin der FU ins Visier des MfS, das drei Optionen erstellt: a) Zerstörung der Liaison, b) Zerstörung von Freundschaften, c) Verlust der Lebensfreude. Drei Scheren am Lebensfaden eines Menschen, dargestellt in rhythmisch wechselnden Kapiteln: „Gestern“, „Heute“, „Morgen“.


Zum Heute gehört ein Arbeitsleben im Stahlwerk, die immer-müden, disparaten Kollegen, „zerrissen wie das Land und seine Bewohner“. Der Staat verfügte bereits eine Arbeitsplatzbindung im Werk als erste (noch) geringe Strafe, sozusagen zum Nachdenken und Wiedereinlenken. Da ja jedes bereits mit einem negativen Gerüchelchen ruchbare Denken über die DDR vom politischen Geheimdienst der DDR als derart gefährlich eingestuft wurde, dass mit allen Mitteln dagegen vorzugehen war, standen die Alarmsignale schon auf dunkelrot. Mit allen Mitten sollte vor allen Dingen verhindert werden, dass irgendein Skandal an die Öffentlichkeit kommt (während das Immunsystem offener Gesellschaften geradezu Skandale benötigt).


Es ist bekannt, dass, als die DDR ihr Ende ereilte, der Chef der Staatssicherheit, Genral Erich Mielke, die Frage stellte, ob der 17. Juni ausgebrochen sei. Denn jener Volksaufstand aus dem Jahr 1953 saß der DDR bis zum Schluss im Nacken: die Antwort war die gnadenlose Diktatur geblieben. Der Roman „Strohblumenzeit“ leistet hier, wie auch schon Karsten Dümmes Debüt „Nachtstaub“, präzise Feldforschung entlang der blutenden Grasnarben dieser keineswegs kommoden Diktatur, wie unser verehrter Nobelpreisträger Günter Grass weiland im kommoden Westen über einen Fernsehkanal gedachte bestimmen zu müssen.


Dass der Protagonist Arno K. die Folgen der Überwachungsmaßnahmen der Diktatur nicht überlebt, gehört sowohl zur konsequent durchgeführten Romanhandlung als es auch zum Vorteil der Analyse im einhergehenden Subtext gerät. Des weiteren rückt die bewusst an Kafkas Joseph K. angelehnte Romanfigur, wie auch schon im Roman „Schnee“ von Omar Pamuk, etwas entschieden Neues ins Bewusstsein, nämlich die äußerst variablen Mittel dieses in unserer Welt sich immer aufs Neue abspielenden Prozesses der Abspaltung scheinbar nicht konvergenter Lebensweisen: denn Arno K. stirbt eben nicht hingerichtet „wie ein Hund“ (vergleiche das Endes Romans von Kafka), sondern er verlischt, fast tonlos, wie das Rascheln eben von Strohblumen, die also auch nicht von ungefähr den Titel des Romans abgeben.


Mit Sicherheit sind die Strohblumen aber auch Synonym für Arno Ks Welt C [(c]. In der verbergen sich von Karsten Dümmel hochpoetisch geschriebene Erinnerungen einer Kindheit in Mecklenburg, voll geladen mit wunderbarer Geschichte und wunderbaren Geschichten und dies vorgetragen mit einer derart faszinierenden Sprachmagie, die bildlich zu den archaischen Lebensweisen zurückführt. Die vor allem aber auch keiner mehr belangen kann. Das ist natürlich der Trick des Zurückgehens. Der andere, nicht zu Frieden lassende, ist der des beständigen knallharten Sprach-Wechsels in den Spliss des Stasi-Geheimdienstes. Es ist der Spuk, aus dem die DDR bestand, die bekannterweise selbst im Orkus der Weltgeschichte erlosch.


Jedoch mit welchen perfiden Mitteln sich die zweite deutsche Diktatur diese ganzen vierzig Jahre am Leben erhielt, wird schließlich zur Investigation von Arnos K. „Verlobter“, die ihn in Ostberlin so oft es ging besucht hatte, bis sie eines Tages, ohne Erklärung, den Boden der DDR nicht mehr betreten durfte.


Die einstige Studentin Marie-Sophie ist Tochter eines französischen Diplomaten, der im Endeffekt selbst bis auf das Letzte von Stasi-Überwachungen betroffen war. Ihre Fahrt von Avignon zur Behörde der Unterlagen der Staatssicherheit der DDR in Berlin bilden das „Morgen“ im Roman. Jene Zukunft, die bisher noch jeder Diktatur bevorstand, in der es sie dann freilich nicht mehr gab.


Mit den wechselnden Stimmen tagebuchartiger Ist-Zeit, unbeschwerter Kindheit, erfolgreicher Schulzeit, geheimpolizeilicher Ausweitung der Folter und der nach dem Horror bleibenden Entrüstung, gelingt Karsten Dümmel eine neue Sicht auf die Schlacht diktatorisch-eiserner Definitionen gegen das hochpolitische weil eigenermessene Private.


Karsten Dümmel. Strohblumenzeit. Roman. 118 Seiten. Transit. Berlin.



Karsten Dümmel, geboren 1960 in Zwickau, Ausbildung zum Elektromechaniker, Abitur, später Studienverbot. Gründer mehrerer Friedens- und Menschenrechtsgruppen in Gera, Zwangsarbeit als Fensterputzer und Gebäudereiniger, 1985 vorübergehende Inhaftierung, Frühjahr 1988 von der Bundesrepublik freigekauft. Studium der Germanistik und Rhetorik in Tübingen, Promotion. Nach mehreren Forschungsprojekten Arbeit in der Entwicklungshilfe in West- und Ostafrika sowie in Osteuropa. Im : TRANSIT Verlag erschien 2007 »Nachtstaub und Klopfzeichen«.

Donnerstag, 29. Mai 2014

Translation: The Berlin Wall Tune - Der Berliner Mauer Choral (2. Fassung)

Der Berliner Mauer Choral (The Berlin Wall Tune)
Ein Gedicht von Joseph Brodsky - übertragen von
Axel Reitel

Der Berliner Mauer Choral (The Berlin Wall Tune)
Ein Gedicht von Joseph Brodsky
Übertragen von Axel Reitel

Vorbemerkung zur Übersetzung



[…] von der es heißt: sie sei
unser Lehrer
in diesem Zustand
erst.
Günter Kunert, Geschichte II 
Das Gedicht „The Berlin Wall Tune“ von Joseph Brodsky schrieb ich mir aus dem Band „To Urania“ in meine China-Kladde ab. Ich befand mich im Buchladen „Barnes & Nobles“, Court Street, Brooklyn-New York. Es war der 10. Januar 2001, ein klarer, kalter Wintertag. Kladde und Gedicht fand ich an meinem Geburtstag im April 2014 in meiner Wohnung wieder. In der Kladde steht auch der Preis des Bandes: es waren 28 Dollar. Ich erinnere mich, wie ich zögerte: schließlich war ich, auch um Kosten zu sparen, per pedes von meinem Hotel, 401 Seventh Avenue at 33rd Street, New York City 10001, Manhattan, über den Battery Park rüber zu den Twin Towers gequert, weiter zur Brooklyn Bridge, stets die Nikon dabei, – bald im Objektiv Ellis Island, den Hudson, Miss Liberty, darüber einen Winterhimmel in Pastellblau, eingewoben gelbe, rote Sphärentöne – um endlich im berühmtesten Buchladen Brooklyns als geprüfte Leseratte einen treasure aufzustöbern. Der Band "To Urania" war dieser Schatz. Allerdings glaubte ich zu wissen, dass ich die übrigen Gedichte in „To Urania"* bereits kannte, deshalb kaufte ich mir ein anderes, auch etwas preiswerteres Taschenbuch: „Teachers & Writers Guide to Walt Whitmann“ vom „Teachers & Writers Collaborative New York ". Walt Whitmanns "Grashalme" übten einst eine ähnliche elektrifizierende Wirkung aus mit ihrem Übergesang der Emanzipation von allen inneren-äußeren Feinden zu einer entschleierten, unverschlossenen, geistigen Freiheit von "Raum und Zeit"**.Genauso vertraut, wie mit diesem meinem Thema, das mich in meinem frühen Leben in der zweiten deutschen Diktatur beschäftigte, war ich längst auch mit Brodskys Generalthema, dem Thema des Exils in seinen amorph zerfließenden Formen, – Exil des Geistes, Exil des Körpers usw.- vertraut und nicht weniger elektrifiziert, als ich an einem Schöneberger Frühjahrestag 1983 zum ersten Mal seine Gedichtsammlung „Einem alten Architekten in Rom“ aufschlug: war mir doch durch meine eigenen Gefängnisaufenthalte und den Freikauf durch die Bundesrepublik gerade dieses Thema sozusagen strafkolonistisch ins Herz tätowiert. Darüber zu schreiben setzte sich wie ein Test nach dem anderen fort im Umgang mit der gewonnen Freiheit, auch unzensierter Darstellung dessen, was war: eine künstlerische Prozedur, die sowohl der Wahrheit bedarf und doch an ein weiteres Gesetz, an das Gesetz der „Einsicht in die künstlerische Notwendigkeit“ gebunden ist, jedenfalls sobald der Motor der Ausgestaltung ein künstlerischer Anspruch ist. Diese von Sophokles intendierte Notwendigkeit soll den Künstler letzten Endes vor allem davon abhalten, „des Guten zu viel zu tun“*** Diese Notwendigkeit begleitete mich, - nun abschließend – bei meiner Übersetzung Zeile um Zeile.


Und hier das Gedicht:

The Berlin Wall Tune
by Joseph Brodsky
for Peter Viereck
Der Berliner Mauer Choral
von Joseph Brodsky
für Peter Viereck
2. Fassung
This is the house destroyed by Jack.
This is the spot where the rumpled buck
stops, and where Hans gets killed.
This is the wall that Ivan built.
[1.]
Dies ist das Haus, zerstört von Jack,
Dies ist der Ort, wo Dollars sind Dreck
wo Hans den Tod fand, wer immer abhaut
Dies ist die Mauer, die Ivan gebaut.
This is the wall that Ivan built.
Yet trying to quell his sense of guilt,
he built it with modest light-gray concrete,
and the booby-traps look discreet.
[2.]
Dies ist die Mauer, die Ivan gebaut.
Hoffend dass sein Sinn für Schuld abflaut,
baute er sie aus lichtgrauem Stein,
und über Minen zog er Gras zum Schein.
Under this wall that a) bores, b) scares
barbed wire meshes lie flat like skeins
of your granny’s darnings (her chair still rocks!)
But the voltage’s too high for socks.
[3.]
Unter dieser Mauer die a) nerv tb) schreckt
ragen Stacheldrahtmaschen gestreckt wie Fäden 
von Großmutters Wollzeug (ihr Schaukelstuhl kann rocken!)
Doch die Spannung ist zu hoch für Socken.
Beyond this wall throbs a local flag
against whose yellow, red, and black
Compass and Hammer proclaim the true
masonic dream came through.
[4.]
Über der Mauer weht eine Flagge und wie
gegen das Gelb, Rot und Schwarz vis-á-vis
Hammer und Zirkel sagen was ist:
dass des Freimaurers Traum wahr geworden ist.
The Vopos patiently in their nest
through binoculars scan the West
and the East; and they like both views
apparently devoid of Jews.
[5.]
Die Vopos, geduldig in ihrem Nest,
im Fernglas die Stadt Berlin (West)
und Ostberlin; ähneln sich wie zwei Buden,
beide sind scheinbar frei von Juden.
Those who are seen here, thought of, felt,
were driven away by the sense of Gold
or by a stronger Marxist urge.
The wall won’t let them merge.
[6.]
Die hier zu sehen sind, gedacht,geholt,
sind getrieben von jenem Sinn für Gold
oder von stark marxistischem Gebühren
Die Mauer will sie nicht zusammen führen.
Come to this wall if you hate your place
and face a sample of cosmic space
where no life-forms can exist at all
and objects only fall.
[7.]
Komm zur Mauer, wenn du dein Leben hasst,
sei Zeuge, wen das Universum schasst,
wie feindlich es sich mit dem Leben anlegt
und nur Objekte zum Fallen bewegt.
Come to this scornful of peace and war
petrified version of either/or
meandering through these bleak parts which act
like a mirror that’s cracked.
[8.]
Komm zu diesem Hohn von Krieg und Frieden
betonierte Version von Entweder / Oder hienieden
mäandert durch dies düstere Werk und wirkt
wie Welt, die ein zerbrochener Spiegel birgt.
Sad is the day here. In the night
searchlights illuminate the blight
making sure that if someone screams,
it’s not due to bad dreams.
[9.]
Traurig ist der Tag hier. In der Nacht
beleuchten Scheinwerfer, wer sich flüchtig macht
und sorgen, dass, wenn jemand schreit,
kein Traum es ist, sondern Wirklichkeit.
For dreams here aren’t bad: just wet with blood
of one of your likes who left his pad
to ramble here; and in his head
dreams are replaced by lead.
[10.]
Für Träume ist’s schlecht hier: nur Dämpfer mit Blut
für deines gleichen, verlässt sein Gut
hier zu wandern; und in den Kopf gesetzt
Träume werden durch Blei ersetzt.
Given that, it’s only Time
who has guts enough to commit the crime
of passing this place back and forth on foot:
at pendulums they don’t shoot.
[11.]
Oder dies, ‘s wäre ‘ne mutige Zeit
das heißt der Verbrechen Endlichkeit
durch ein Gewimmel, vor, zurück, aufschließend:
auf dies Pendeln würden sie nicht schießen.
That’s why this site will see many moons
while couples lie in their beds like spoons,
while the rich are wondering what they wish
and single girls eat fish. 
[12.]
Drum wird diese Seite noch viele Monde löffeln,
während Paare in Betten liegen wie Löffel,
während sich Reiche ihre Wünsche vorplappern.
und Single-Mädchen an Fischen knabbern.
Come to this wall that beats other walls:
Roman, Chinese, whose worn-down, false
molars envy steel fangs that flash
scrubbed of thy neighbor’s flesh.
[13.]
Komm zu dieser Mauer, die andre Mauern schlägt:
Römische, Chinesische, deren Zähne, ungepflegt,
neiden dem Zahn aus Stahl die Kraft,
die das Fleisch aus deines Nachbarn Körper rafft.
A bird may twitter a better song.
But should you consider abortion wrong
(or that the quacks ask too high a fee),
Come to this wall, and see.
[14.]
Ein Vogel mag ein besseres Lied anstimmen.
Doch kannst du Abtreibung nichts abgewinnen
(und gingst zu Engelmachern****nie),
Komm zu dieser Mauer – und sieh.

Übersetzung:©Axel Reitel, 1.Fassung 2014/18/4; 2. Fassung 2014/28/5.
Vorbemerkung: ©Axel Reitel, 2014/19/5.

Anmerkungen zur Übersetzung:

Ich schickte eine 1. Fassung meiner lieben Freundin, Judith Judy Schubert. Judy ist Sopranistin, gebürtige US-Amerikanerin und lehrte und arbeitete u.a. in New York. Ich lernte sie Ende der 1990er Jahre in Plauen kennen. Ich war 1990, - im Jahr der sanften Revolution - in meine Geburtsstadt zurückgekehrt. Ich arbeitete für verschiedene Zeitungen, veröffentlichte wenige Bücher. Am Ende des Jahrzehnts suchte ich für die Aufnahme eines Musikstücks nach einer Sopranistin. Es handelte sich um die Vertonung eines ergreifenden Gedichtes aus dem KZ Theresienstadt.Die Autorin war die in jener Zeit 16jährige Dagmar Hilarova. Mit Hilfe des versierten Gitarristen Jörg Hoffmann entstand eine sechsseitige Partitur für Gitarre, Oboe und Gesang, - autorisiert gewidmet Elisabeth und Reiner Kunze - doch sagten nach der Fertigstellung zwei Sängerinnen ab. Ich war verzweifelt, womöglich war ich längst gescheitert und gestand es mir nicht zu.Im Sommer 1999, wenn ich mich richtig erinnere, drückte mir, um mich ein wenig aufzumuntern,der damalige Intendant des Vogtlandtheaters Plauen, Dieter Roth, eine Karte für Giacomo Puccinis Oper Turandot in die Hand: in dieser Rolle sah ich zum ersten Mal Judy und lauschte begeistert ihrem wundervollen Gesang. Ich wusste, dass sie die perfekte Stimme für das vertonte Gedicht ist: was aber tun, wenn ihr die Melodie ebenfalls zu war? Ich habe vergessen, wer uns wo kurze Zeit darauf einander vorstellte. Wir kamen ins Gespräch, dabei erzählte ich auch von der Partitur, die sie sich sofort erbat; und zu meiner Riesenfreude gefiel ihr die Lektüre, die sie zu Tränen gerührt habe. Die Aufnahme fand im Februar 2000 in einem modernen Tonstudio nahe Hof/Saale statt. Sie wurde das Herzstück der CD „ohne anzuklopfen“ (15. 5. 2000). Vierzehn Jahre ist das her: in dieser Zeit erlitt unsere Freundschaft keinen Abbruch. Ich hatte also keinen Grund zu zögern, Judy die ersten Fassung der Übersetzung zu mailen, und nur wenige Tage darauf erfolgte auch prompt ihre Antwort.


Axel, ich habe einiges korrigiert. Allerdings weiß ich, daß durch das Reimen einiges „frei" übersetzt werden muß. Da waren nur ein paar Stellen, wo vielleicht der Sinn falsch war. Du kannst lesen, was ich korrigiert habe und reflektieren, ob vielleicht etwas falsch ist. Allerdings fiel mir nichts poetisch ein, wie es sich reimen könnte. Es wurde von Dir hervorragend übersetzt!Liebe Grüße! Judy

Jene  Stellen im Wortlaut sind unten stehend nachzulesen.  Ich habe versucht, die (zum Glück) erhaltenen Korrekturen so gut es ging diesem irren Berliner Mauer Chorus anzupassen. 

3. Strophe
Unter dieser Mauer die a)langweilt b) schreckt
… von Großmutters Wollzeug (ihr Schaukelstuhl kann noch rocken!)
6. Strophe
Die hier zu sehen sind, gedacht,gefühlt,
wurden gejagt von jenem Sinn für Gold

10. Strophe
Weil Träume sind nicht hier schlecht: nur feucht mit Blut
...der seine Bleibe verlassen hat
11. Strophe
Das vorgegeben, es ist nur Die Zeit,
die genug Mut hat, den Verbrechen zu begehen
hin und hergehen entlang dieses Orts zur Fuß
beim Pendeln schießen sie nicht.
14. Strophe
Aber solltest Du Abtreibung als falsch betrachten,
oder dass die Quacksalber zu hohe Gebühren verlangen.


Worterklärungen:


*Urania, Muse der Astronomie, die weiteren acht sind Klio, Muse der Geschichtsschreibung; Melpomene, die Muse der Tragödie; Terpsichore, Muse für Chorlyrik und Tanz; Thalia, Muse der Komödie; Euterpe, Muse der Lyrik und des Flötenspiels; Erato, Muse der Liebesdichtung; Polyhymnia, Muse des Gesangs mit der Leier; sowie Kalliope, Muse der epischen Dichtung, der Rhetorik, der Philosophie und der Wissenschaft.

**W.W. Grashalme, Gesang von mir selbst, 33. Kapitel.
*** Sophokles, Werke , Berlin 1982, S. V.
**** Engelmacher... Umgangssprachlicher Ausdruck für Kurpfuscher, das waren fernab jeglicher ärztlichen Kompetenz Schwangerschaftsabbrüche durchführende Privatiers. Der russische Regisseur Sergej Eisensteins fing dieses Thema auf in seinem Dokumentarfilm aus dem Jahr 1929 auf, „Frauennot-Frauenglück“. Dieser Aufklärungsfilm, - und Befürwortung eines Abbruchs unter medizinischer Aufsicht - wurde gedreht im Universitätsklinikum Zürich. 

Offener Brief: An den Geschäftsführer Lars Kleba, Die Linke Sachsen, und Protestschreiben des P.E.N. Zentrums deutschsprachiger Autoren gegen die Willkürmaßnahme des Oberbürgermeisters von Reichenbach (Vogtland), Henry Ruß

Die Linke Sachsen Lars Kleba Cottaer Str. 6c 01159 Dresden Tel.: 0351 85327-0 Fax: 0351 85327-20 kontakt@dielinke-sachsen.de Sehr geehrter H...