Donnerstag, 3. Mai 2012

Paralipomena: Liegengelassene Gedichte: Die Verführung des Menschen durch den Himmel




Jean- Antonine Watteau: "Einschiffung nach Cythera". Öl auf Leinwand. 
Zu besichtigen in Berlin, Schloß Charlottenburg.



Paralipomena ist eine Art Abstellkammer für alle Passagen, Kapitel, Lyrics - etcetera - die wir für eine Veröffentlichung aus welchen Gründen  auch immer schließlich nicht verwendet haben. Dazu gehört in meinem Fall die folgende Epistel. Entstanden vor einiger, einiger Zeit. Wiedergefunden in einem Dokumentenordner heute. Voila!


Die Verführung des Menschen durch den Himmel


„Die Seele, wenn sie träumt“, schreibt Addison, „ist Theater, Schauspieler und Publikum.“ Viel früher schon hatte der Perser Omar Chayyam geschrieben: die Geschichte der Welt sei eine  Vorstellung, die Gott, der vielzählige Gott der Pantheisten, plant, darstellt und anschaut, um sich in seiner Ewigkeit zu zerstreuen.

Jorge Luis Borges


„Der Mensch ist offenbar ein Pechvogel, nicht weil er nicht fliegen könnte – das kann er ja inzwischen -, sondern weil er immer wieder vom Himmel verführt wird, mehr als ein Mensch sein zu wollen: etwas Absolutes.“

Friedrich Dürrenmatt


1.
 
Ist das Leben eine Leinwand,

Gott und seinesgleichen zu zerstreuen?

Wettend abzuwägen, Für- und Einwand,

Wer nun das Glück von neuem braucht

Und wer von schlechter Luft im Bauch

Umhergetrieben, milieuerweicht,

Zwiebellauch gerade gleicht?


2.
 
Ist alles festgelegt,

Sich in Stufen und Kapitel

Ab-und Aufzulösen, für den Zweck die Mittel,

Häufchen von Mikadostäbchen, grob zerlegt?

Bilder etwa von einem Kirschenbaum,

Vor dem Herr Kubicek und ein fremder Lümmel,

Wegen des Eigentumsrechtes im Getümmel,

Ewigkeiten sich in die Fresse hauen?


3.
 
Ist, die wir Liebe rufen, nichts weiter,

Als dem Anspruch unseres Publikums,

Absolut, im absoluten Raum, sehr heiter,

Die neuesten Akte aufzutun

Und heimlich, hinter Hintertüren,

Auszubauen einen unbekannten Raum,

Unsere Demonstration von Made-yourself-Allüren?


4.
 
Ist das, was wir Bedürfnis nennen,

Ein eigenes Kino zu besitzen,

Von der fremden Leinwand fortzurennen,

Und sich das Wissen einzuritzen,

In diesem Himmel ewig abzusitzen?


5.

Ist es das Lied, das dich findet,

Oder die Stadt, die Liebschaften schenkt?

Sich einzurichten kostet Darlehen,

Du kannst bleiben und du wirst gelenkt,

Du gehst aufrecht und stehst auf allen vieren,

Du bezahlst Miete und dich bindet

Das Vergnügen, endlich einzusehen,

Wie alle sich verführend mißverstehen-

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