Freitag, 21. September 2012

Radioreportage: Wer war Siegfried Heinrichs?



                                       
RBB kulturradio
http://www.rbb-online.de/radio/programm/index.html
LITERATUR Mittwoch, den 03.10.2012, 17:04 - 18:00 Uhr
Wer war Siegfried Heinrichs?





Porträt des ost-westdeutschen Lyrikers und Verlegers, der im Frühjahr 2012 in Berlin verstarb


Der Autor hat für diese Sendung den Nachlass von Siegfried Heinrichs sichten können. Darunter befindet sich auch die Akte, voll mit brisantem Material. 
In der Reportage zu hören sind Katrina Pangritz, Hans Sahl, Siegmar Faust, Utz Rachowski, Dr. Hannes Schwenger, Dr. Jörg Bilke, vom Übersetzer Hans Skirecki und vom Geschäftsführer des ungarischen Druck- und Verlagshauses "Argumentum", Dr. Jószef Láng. 



(Der Inhalt wurde erstellt von collegiumnovum)







Fotonachweise:   

Samstag, 8. September 2012

Kolumne: Zuletzt gelacht: Die entmachtete Stasi und ihre unentwegte Selbstdarstellung


     Quelle: http://www.google.de/imgres?
    Blauer Drache statt Blaue Blume?
            
Trailer

Announcer 1: Hätte das Buch besser heißen sollen „Einst war ich Knappe der Partei!“ Oder  „Mit Schild [nicht Schuld] und Schwert war ich dabei“? Der alternde Debütant hat sich anders entschieden. Der Liedzeile gemäß „ihr liegt nicht schief ihr liegt schon quer, ihr macht mich populär!“ des „Sängers der DDR“* einst geht er fortan on Lese-Tour, um die Betreiber von DDR-Unrecht-Gedenkstätten als „Leimer“ zu überführen. Gelingt ihm das? Wurden die Gedenkstätten „in Berlin, Rostock, Dresden, Halle und Erfurt“ nach der Wende in Wahrheit aus Pappmaschee gebaut? Werden die Besucher dieser Gedenkstätten drehbuchartig mit unsichtbaren Drogen manipuliert? Waren alle DDR-Oppositionellen in Wirklichkeit Opfer einer irrwitzigen „Cold-Reading-Attacke des größten Verbrechers der Welt und Untoten - Dr. Mabuse? 

Announcer 2: Nur einer kann das Geheimnis lüften: Unser Drachentöter Schwerenöter, hier, bald,  auf dieser Seite 

Announcer 3: Nur einer hat die Wahrheit erkannt: Drachentöter Schwerenöter – für alle, die Zeit haben, in 4 D 

Announcer 2: Eisern-Stasi: Der Buch-Titel wurde von Drachentöter Schwerenöter „in cold blood“ konfisziert. Wo? „Der Drachentöter Schwerenöter – demnächst hier … 

Announcer 1: Außerdem: Drachentöters Schwerenöters Buchlesung und die Verleihung der metempsychotische Banane an eine mysteriöse Abgeordnete im Publikum oder Was ist nochmal "absurd"?


Zitation 1 (aus Hasis "Drachentöter"): "[...] Wegen des Umstands, dass zwischen Abschlussberichten des Untersuchungsorgans und der Anklageschrift des Staatsanwalts selten Abweichungen bei den Formulierungen bestanden, wird der falsche Schluss abgeleitet, dass das MfS der Staatsanwaltschaft die Klage diktiert habe. Das trifft nicht zu. Allerdings erhebt sich die Frage, warum der Staatsanwalt sachlich und juristisch exakte Formulierungen nicht übernehmen sollte? Weil sie vom MfS kamen? Das ist doch absurd." 

Zitation 2 (Camus, Mythos): "Dem Absurden kann man sich nicht nicht entziehen."



Off: Alle, die sich rechtzeitig anmelden, erhalten virtuelle Bonbons …. 
* Heinrich Böll in einem TV-Interview über ??? Bald hier bei - 
"Wer wird Visionär?"

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Mittwoch, 5. September 2012

Veranstaltungskritik: Ein perfektes Konzert. Der einstige "Sänger der DDR" (Böll) mit einem Benefizkonzert im ehemaligen Zuchthaus Cottbus


Die perfekte Show – Das Benefizkonzert mit Wolf Biermann im ehemaligen Zuchthaus Cottbus am 04.09.2012 19.30 bis 21.30 Uhr





"Hinter das Gitter kann ich ja nicht!" rief scherzend Wolf Biermann in das Publikum hinein, das sich zur stehenden Ovation erhoben hatte. Ein Schauspieler habe einen Vorhang, hinter dem er sich kurz verbergen könne. Gemeint ist ein breiter Käfigraum mit breitem Stahlgitter, vor dem Wolf Biermann sein Konzert in der Pentacon-Halle des ehemaligen Zuchthauses Cottbus gegeben hat. Hier wurden einst vorwiegend von politischen Gefangenen im Dreischichtsystem Fotokamerateile im Akkord gestanzt.  Das "Gitter" wurde vom Wachpersonal zur Absonderung sabotierender Strafgefangener benutzt. Unter den Strafgefangenen kursierte der Ausdruck "Eisschrank". Vor dem "Gitter" befand sich ein offenes Abzugsfenster. Vor allem im Winter wurde es da ziemlich ungemütlich.  Gemütlich geht es auch bei Wolf-Biermann-Konzerten nicht zu, aber ein Konzert soll schließlich auch aufregend sein - und nicht gemütlich.  Das Konzert  mit Wolf Biermann war schlichtweg die perfekte Show.  Warum? Wir erleben auf der Bühne die Songs eines Lebens mit samt der dazugehörigen Biografie.  Es gab einmal einen Slogan, der hieß, es ist der Sänger, nicht der Song.  Biermanns Attitüde ist größer, sie ist  echt. Wenige können auf der Bühne ganz groß erzählen und einem ihre Lieder ins Ohr schmeicheln.  Die Gitarre  bassbetont, mit Zusatzvolumen also, führte die musikalische Odyssee durch realistische Landschaften, mit unwirklich scheinenden verrückten Geschichten.  Der Exkurs führte durch die die Städte Berlin, Hamburg, Paris, dann  ging es nach Südfrankreich, am Schluss gar nach Griechenland. Aberwitzige altbekannte Balladen von betonköpfigen Politgestalten der zweiten deutschen Diktatur, bissige Westimpressionen, und natürlich die  großen Namen der Literatur wie Arno Lustiger, Mànes Sperber,  Emile Cioran oder auch Jürgen Fuchs, Siegmar Faust, seine Begegnungen, Gespräche und Grade der Freundschaft mit ihnen. Es war eine aufregende musikalische Reise.  Sicher auch für die zahlreichen aus allen Orten Deutschlands angereisten ehemaligen politischen Gefangenen dieses Haftortes. Mancher unter ihnen hatte Lieder von Wolf Biermann in der Isolationszelle, auf Arrest, gesungen oder im Haftalltag, auf Schicht, an der Stanze. Man stattete sich so mit Seelenwärme gegen „Eisschränke“ aus. Das war ja das Verrückte. Ein Häftling sang an der Stanze laut „Die Stasiballade“. Ein Zivilmeister hört das. Zivilmeister an Schließer. Schließer zum Gefangenen. Auch so kam man für eine Schicht „hinter das Gitter!“. Gefangener: „Eines Tages wird hier Biermann persönlich erscheinen!“ Schließer: „Klar, als Strafgefangener!“ Gefangener: “Nee, mit eem Konzert, Alter!“ Schließer lacht hämisch. Und nun sang Wolf Biermann wirklich hier wie herbeizitiert - und es wurde wirklich viel und herzlich gelacht. Als Wolf Biermann abends im Dunkel gegen 22. 00 Uhr aus der alten Stanzhalle mit einer Plastikschale voll weißer Weintrauben in den Händen trat, nickte er einigen „Ehemaligen“  zu: “ macht‘s gut, ihr Helden!“ Einer rief: „Du [aber] auch!“  




Montag, 6. August 2012

Veranstaltungstipp: Konzertankündigung: Wolf Biermann Live in der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus

Das Menschenrechtszentrum Cottbus e.V. gab heute bekannt: "Wolf Biermann singt am 4. September 2012, 19:00 Uhr in einem Benefizkonzert seine Lieder zugunsten der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus Als einziger Sohn eines von den Nazis 1943 in Auschwitz ermordeten Kommunisten und Juden genoss Wolf Biermann einige Jahre den Status eines Unantastbaren, der seine Schallplatten und Textbücher im Westen veröffentlichen konnte, während jene, die seine Lieder und Texte in der DDR nur verbreiteten, ins Gefängnis gesteckt wurden. Auch in Cottbus saßen Häftlinge wegen der Lieder von Biermann ein. Erstmals tritt nun der mit allen großen deutschen Literaturpreisen ausgezeichnete Sänger, Poet und Ehrenbürger Berlins mit einem Benefizkonzert in einem Gefängnis auf, um jenen seine Referenz zu erweisen, die hier als politische Häftlinge einst gequält worden waren und heute als Miteigentümer ihres alten Gefängnisses eine Gedenk-, Begegnungs- und Bildungsstätte errichten wollen. Der Verein Menschenrechtszentrum Cottbus e.V. ist Eigentümer des ehemaligen Gefängnisses auf einer Grundfläche von 22.000 m² und Betreiber der „Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus“, was einmalig in der Gedenkstättenlandschaft Deutschlands ist. Kulturstaatsminister Neumann, das Land Brandenburg und private Spender unterstützen finanziell das ehrgeizige Vorhaben. Die Stadt Cottbus setzte von Anfang an ein klares Zeichen und erklärte sich parteiübergreifend für das Projekt. Die „Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus“ ist noch in der Entstehungsphase und wird es lange bleiben, denn nach wie vor gibt es sehr viel zu tun. Die Einnahmen aus dem Benefizkonzert sollen für die Sanierung des Torhauses genutzt werden. Die Gedenkstätte wird ab dem 4. September, 15:00 Uhr teileröffnet. Bis zur endgültigen Eröffnung der neuen Dauerausstellung im Herbst 2013 werden die sanierten Räume der Gedenkstätte sowie eine kleine vorläufige Ausstellung stundenweise täglich zu besichtigen sein. Die Karten für das Benefizkonzert kosten 20,00 €, 15 € ermäßigt für Senioren, Schüler, Studenten und Arbeitslose. Kartenbestellung: Menschenrechtszentrum Cottbus e.V., Tel: (0355) 290133-0, Fax: (0355) 290133-33, Bautzener Str. 140, 03050 Cottbus, Email: info@menschenrechtszentrum-cottbus.de Veranstaltungsort: „Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus“, Bautzener Str. 140, 03050 Cottbus (Nähe Hauptbahnhof, Parkplätze vorhanden) Für weitere Fragen, wenden Sie sich bitte an: Sylvia Wähling Geschäftsführende Vorsitzende Menschenrechtszentrum Cottbus e.V. Leiterin der Gedenkstätte Zuchthaus Cottbus Bautzener Straße 140 03050 Cottbus Tel: (0355) 290133-0, Durchwahl - 12 Fax: (0355) 290133-33 Funk: 0172-34 74 17 9 sylvia.waehling@menschenrechtszentrum-cottbus.de www.menschenrechtszentrum-cottbus.de"

Dienstag, 24. Juli 2012

Glosse: Blutiger Zirkus

 

 

 
Fotoquelle:: http://www.paisland.de/island/assets/images/picture-00041.jpg

Blutiger Zirkus

Die dpa meldete im Juli dieses Jahres einen neuen Fall von Romeo und Julia. Praktisch Julia und Romeo 2012. Passiert sind die wahren Ereignisse in Hamburg. Zugegangen ist es wie vor hunderten von Jahren.  Tochter und Sohn zweier konkurrierender Zirkus-Familien, des "Zirkus Kaiser" und des „Circus Danielo“,  verlieben sich ineinander gegen den Willen der Eltern. Und schon geht alles seinen gewohnten Gang. Ein knallharter Streit eskaliert. Was das junge Liebespaar nicht hindert, miteinander eine Beziehung einzugehen. Das war ja auch schon immer so und das ist ja auch gut so.  Nun hat aber wohl die Tochter (18) zu Hause ihre sieben Sachen gepackt und ist zu ihrem Freund gezogen, was jetzt heißt,  dass  sie nun,  an der Seite ihres Freundes, der nicht von zu Hause abgehauen ist, unterwegs ist – und zwar mit dem verfeindeten „Circus Danielo“. Au Backe. Und nun kommt es richtig Dicke. Vor etwas mehr als einer Woche nun trieb es den Streit auf die Spitze. Denn Mitglieder des „Zirkus Kaiser“ fuhren geradenwegs zum neuen Auftrittsort der „Danielos“ (in Hessen), um die Familie zur Rede stellen. Laut Bild Hamburg“ gingen die  „Kaisers“ mit Eisenstangen auf die „Danielos“  los und schlugen sie nieder. Ein 19-Jähriges Zirkusmitglied sei angeschossen worden. Laut  „Morgenpost“  seien „zwei Männer mit Kopfverletzungen ins Krankenhaus gekommen“.      Der  Sprecher der Staatsanwaltschaft hätte dann auch bestätigt, dass bei den anschließenden Hausdurchsuchungen mehrere Waffen von der ermittelnden  Behörde entdeckt wurden. Die Ermittler hätten insgesamt mehrere Wohnungen in Hamburg, Kaufering und Bad Kösen  kontrolliert. Das taugt heutzutage natürlich gar nicht mehr für eine Tatortfolge. Aber dann rückt die Staatsanwaltschaft in Darmstadt an einem schönen Montagvormittag auf den Plan (wo wegen des stressigen Wochenendes alle nur in Ruhe gelassen werden wollen) und kommt mit dem Plot. Endlich ist auch ein „dritter Zirkus“ in den „Fall“ verwickelt.  Na also. Und was hat der dieser „dritte Zirkus“ mit dem Drama um zwei Teenager zu tun? Die Mitarbeiter dieses Zirkus hätten mit den "Danielos" gemeinsame Sache gemacht und nun in Bad Kösen die „Kaisers“ aufgemischt. Wieder ist von mehreren Verletzten die Rede. Von Romea und Julio in den Nachrichten bislang keine weitere Spur. Bleiben wir dran!

Mittwoch, 27. Juni 2012

Buchkritik: Udo Scheer : Günter Ullmann - eine Biografie


Sendung: 27.06.2012. 09.40 Uhr. MDR Bücherjournal








Hier das Sendemanuskript:

O-Ton Rezensent:
Biografien über Ausnahmepersönlichkeiten sind beliebt und für den Biografen dennoch keine leichte Sache. Wie Udo Scheer das in seiner neuen Biografie macht, diesmal über den Dichter und Maler Günter Ullmann, zeigt einmal mehr den Meister seines Fachs. Das Buch ist mit leichter Hand geschrieben und dennoch konsequent strukturiert. Scheer führt den Leser vom ersten Satz an in ein spannungsgeladenes wie tragisches Dichterleben ein. Es geht dabei vor allem die Zeit der zweiten deutschen Diktatur: sämtliche öffentliche Aktivitäten, also auch das Schreiben, haben auf „Parteilinie“ zu sein.  Andernfalls droht der Maulkorb. „Wer die DDR angreift, wird vernichtet“, heißt es auf einem der unzähligen Spruchbänder. So gehen namhafte DDR-Autoren eher daran, dieses System zu dekorieren, (Fritz J. Raddatz) als es in Frage zu stellen. Günter Ullmans politischer Weg führt über die öffentliche Sympathiebekundungen für den „Prager Frühling“. Am Anfang stehen Texte und Melodien für eine Rockband.  Thematisiert werden „Freiheit und Toleranz“.  Ullmann reflektiert also zunächst über die Musik, was umher an politischer Willkür geschieht.

O-Ton Udo Scheer:
Dabei wollte Günter Ullmann eigentlich nie ein politischer Mensch sein. Doch jemand wie er, mit seinem Gerechtigkeitssinn, und dem Anspruch: „Sagen, was ist!“ hat gestört.
Das muss man sich vorstellen, ein Lyriker, ein sensibler Mensch, für den jedes Echo auf seine Verse von existentieller Bedeutung ist, wird totgeschwiegen. Dagegen bäumen sich seine Gedichte auf:
HINTERHOF // der winter / bleibt klein // die sonne hat / vier ecken.
Zehn Worte genügen ihm, um den Aberwitz und die Perspektivlosigkeit in diesem Land auf den Punkt zu bringen. Sogar die Sonne hat vier Ecken, wird beschnitten. Das sind Bilder, die brennen sich wie Blitze ins Gedächtnis ein.
Manchmal, wenn ihm die Ungerechtigkeiten unerträglich werden, träumt er sich mit wunderbaren Versen in das Glück der Kindheit zurück:
… die sterne waren ganz kleine kinder / meine Flügel waren / aus kometenschweif.

O-Ton Rezensent:
Auch Ullmanns Schocks und Ängste weiß Scheer behutsam wie klar zu schildern. Der Leser erfährt von der Erschießung eines desertierten 18jährigen russischen Soldaten auf dem Kasernenhof, in dem Ullmann seinen Wehrdienst ableistet. Ebenso aber erfährt der Leser von Ullmanns „sanft-radikalen“ (Biermann) Mut, öffentlich gegen den in Greiz als Wunderknaben agierenden Protegé der Partei, Ibrahim Böhme, aufzutreten. Und es spricht für Ullmann, dass er Böhme, dem er dennoch als Freund alles anvertraute, was die Stasi ihm später bei den Verhören knallhart präsentierte, nach der Wende nicht als Stasi-Spitzel, der Böhme war, verdammte, sondern ihn weiterhin  als Weggefährten begreift.  Allerdings werden die Folgen dieser Freundschaft irreparabel sein.  Die Zersetzungsmethoden, die der Staatssicherheitsdienst gegen Ullmann in die Wege leitet, treiben den Künstler, Ehemann und Familienvater, nahe an den Rand des Wahnsinns. 

O-Ton Udo Scheer:
In einem unserer Gespräche sagte er:  „In den Verhören war ich, glaube ich, ziemlich stark. Zu Hause fühlte ich mich depressiv und verfolgt.“
Günter Ullmann ist zutiefst irritiert: Woher weiß die Staatssicherheit so bescheid? Böhme ein Verräter? – Unmöglich!
Nach 1989 sagte er: „Ich weiß nicht, ob ich die DDR länger überstanden hätte.“

O-Ton Rezensent:
In einer Diskussion mit einem westdeutschen Doktoranden fiel kürzlich der Satz, „bei der DDR-Aufarbeitung läuft man Gefahr, dass sie womöglich am Ende in einer Atombombe mündet.“ Nun, Bomben haben die Aufgabe der Abschreckung und der Zerstörung.  Scheers Biographie über einen verbotenen Dichter dagegen ist im besten Sinne ein Beitrag zur Aufarbeitung einer Diktatur, die Menschenleben mit den Mitteln der Lüge und des Verrats zerstört.  Scheer vollzieht sensibel den Weg des durch die Wende auch geretteten Dichters Ullmann. Fazit: Günter Ullman gehört,  und auch das ist das Verdienst dieser wunderbaren Biografie, zu jenen Autoren, die noch lange gelesen werden, gerade weil man ihnen  irgendwie immer glauben kann.




Udo Scheer. Die Sonne hat vier Ecken. Günter Ullmann - Eine Biographie. Mitteldeutscher Verlag. 287 Seiten. ISBN 978-3-89812-869-4

Freitag, 18. Mai 2012

Radiofeature: Die Stasi und der Schauspieler - morgen auf Bayern 2 (Radio)

http://www.br.de/radio/bayern2/programmkalender/sendung284044.html


Ralf Reitel 
Theater Rudolstadt ca. 1981
Foto: Privat
Sendung: 19.05.2012
Uhrzeit: 13:05 bis 14:00 Uhr   
Livestream in Mediathek nicht mehr verfügbar
Bayern 2

Der Tod meines Bruders
Rekonstruktion eines vermeintlichen Unfalls
Von Axel Reitel
MDR 2007
Wiederholung am Sonntag, 21.03 Uhr
Der Schauspieler Ralf Reitel wurde 1984 nach langer Haft ausgebürgert. Drei Jahre später verunglückt er auf dem Weg zu einem Engagement in Regensburg tödlich. Kurz vor dem Unfall wird ein roter Porsche bemerkt, der das Motorrad beim Überholen an die Leitplanke drängt. Die Polizei stuft den Unfallhergang als „ungewöhnlich“ ein.
Axel Reitel bekommt die blutgetränkte Kleidung seines Bruders in einem Plastiksack ausgehändigt. Seit dieser Zeit lässt ihn der Gedanke an diesen „Unfall“ nicht mehr los. Erst viele Jahre später kann er seinem Verdacht nachgehen. Der Einblick in die Stasiakte offenbart „Den Fall Reitel“. Nach und nach, durch Befragung von Freunden, Verwandten, Kollegen und ehemaligen Stasimitarbeitern, setzt sich das Puzzle zusammen.

Donnerstag, 3. Mai 2012

Paralipomena: Liegengelassene Gedichte: Die Verführung des Menschen durch den Himmel




Jean- Antonine Watteau: "Einschiffung nach Cythera". Öl auf Leinwand. 
Zu besichtigen in Berlin, Schloß Charlottenburg.



Paralipomena ist eine Art Abstellkammer für alle Passagen, Kapitel, Lyrics - etcetera - die wir für eine Veröffentlichung aus welchen Gründen  auch immer schließlich nicht verwendet haben. Dazu gehört in meinem Fall die folgende Epistel. Entstanden vor einiger, einiger Zeit. Wiedergefunden in einem Dokumentenordner heute. Voila!


Die Verführung des Menschen durch den Himmel


„Die Seele, wenn sie träumt“, schreibt Addison, „ist Theater, Schauspieler und Publikum.“ Viel früher schon hatte der Perser Omar Chayyam geschrieben: die Geschichte der Welt sei eine  Vorstellung, die Gott, der vielzählige Gott der Pantheisten, plant, darstellt und anschaut, um sich in seiner Ewigkeit zu zerstreuen.

Jorge Luis Borges


„Der Mensch ist offenbar ein Pechvogel, nicht weil er nicht fliegen könnte – das kann er ja inzwischen -, sondern weil er immer wieder vom Himmel verführt wird, mehr als ein Mensch sein zu wollen: etwas Absolutes.“

Friedrich Dürrenmatt


1.
 
Ist das Leben eine Leinwand,

Gott und seinesgleichen zu zerstreuen?

Wettend abzuwägen, Für- und Einwand,

Wer nun das Glück von neuem braucht

Und wer von schlechter Luft im Bauch

Umhergetrieben, milieuerweicht,

Zwiebellauch gerade gleicht?


2.
 
Ist alles festgelegt,

Sich in Stufen und Kapitel

Ab-und Aufzulösen, für den Zweck die Mittel,

Häufchen von Mikadostäbchen, grob zerlegt?

Bilder etwa von einem Kirschenbaum,

Vor dem Herr Kubicek und ein fremder Lümmel,

Wegen des Eigentumsrechtes im Getümmel,

Ewigkeiten sich in die Fresse hauen?


3.
 
Ist, die wir Liebe rufen, nichts weiter,

Als dem Anspruch unseres Publikums,

Absolut, im absoluten Raum, sehr heiter,

Die neuesten Akte aufzutun

Und heimlich, hinter Hintertüren,

Auszubauen einen unbekannten Raum,

Unsere Demonstration von Made-yourself-Allüren?


4.
 
Ist das, was wir Bedürfnis nennen,

Ein eigenes Kino zu besitzen,

Von der fremden Leinwand fortzurennen,

Und sich das Wissen einzuritzen,

In diesem Himmel ewig abzusitzen?


5.

Ist es das Lied, das dich findet,

Oder die Stadt, die Liebschaften schenkt?

Sich einzurichten kostet Darlehen,

Du kannst bleiben und du wirst gelenkt,

Du gehst aufrecht und stehst auf allen vieren,

Du bezahlst Miete und dich bindet

Das Vergnügen, endlich einzusehen,

Wie alle sich verführend mißverstehen-

Montag, 23. April 2012

Buchkritik: Ein Spaziergang war es nicht. Kindheiten zwischen Ost und West

MDR-Figaro. Die Sendung ist heute , am Mittwoch, den 25. April 2012, um 09:45 gelaufen. Anna Schädlich und Susanne Schädlich, "Ein Spaziergang war es nicht. Kindheiten zwischen Ost und West", Heyne Verlag 2012.
Sendung: 25.04.2012. MDR-Bücherjournal.

Hier das Manuskript der Sendung:




Anna Schädlich und Susanne Schädlich: Ein Spaziergang war es nicht. Kindheiten zwischen Ost und West. Heyne Verlag, 322 Seiten, mit s/w-Fotos, € 19.90, CHF 28, 50.  


O-Ton Rezensent:
„Die Kunde ihres Unglücks weckt mein Mitleid, König!“ mahnt der Chorführer in Euripides „ Kinder des Herakles“. Mitleid ist das Thema aber nicht, das die Töchter des Schriftstellers Hans-Joachim Schädlich in ihrer großartigen Anthologie, „Ein Spaziergang war es nicht“,  Kindheiten zwischen Ost und West, amalgieren. Zahlreiche Künstler, Wissenschaftler und Autoren  verließen in den ‘70er und ‘80er Jahren mit ihren Familien die DDR und Richtung  Bundesrepublik. Es geht um die  Repressalien der ideologischen Klaviatur. Nur die  Kinder wurden nicht gefragt. Aber wäre das überhaupt möglich gewesen? Ein Gutteil der Texte verweist auf Geschicklichkeit, Phantasie und Mut, die ein Kind in scheinbar ausweglosen Situationen entwickelt. Insgesamt gelingt den Texten der längst erwachsenen Frauen und Männer eine hochbrisante Widergabe einer Kindheit zwischen zwei Welten. 

O-Ton Herausgeber (Anna Schädlich):
Beide Generationen, die wir in der Anthologie versammelt haben, sind doppelt geprägt. Es handelt sich einmal um die gelebte Erinnerung, zum anderen um die erzählte Erinnerung. Susanne, meine Schwester, war damals zwölf Jahre alt, ich war damals vier Jahre alt. Wir haben ganz unterschiedliche Erfahrungen. Das war uns wichtig, dass eben endlich die Kinder der sogenannten Prominenten zu Wort kommen, denn zuvor haben immer nur sie die Bühne betreten, und jetzt war es uns wichtig, dass die Kinder zu Wort kommen – und dadurch ist auch eine große Vielfalt entstanden.

O-Ton Rezensent:
Es sind die Kinder von Dewath- Rachowski,  Franck, Gunardano, Havemann-Biermann, Honigmann, Kirsch, Klier, Krawczyk, Kunert, Langhoff, Pawlow, Schädlich, Schleime, Schlesinger, Schönemann und Schollak. Sie leben mit den Biographien der Eltern und nehmen Anlauf zur eigenen Identität.  Ereignisreiche,  unerhörte Vorgänge bilden die Hürden.  Zudem fällt der Hammer. Man muß weg. Es kommen die bohrenden die Fragen. Warum muß ich weg? Was wird aus Oma und Opa? Was aus  meinen Freunden? Was man liebt und  verlassen muß, zerreißt. Als einer zerrissenen Generation zugehörig sehen auch die Herausgeberinnen den versammelten Chor dieser Anthologie.

O-Ton Herausgeber (Susanne Schädlich):
Also, wenn man von Riß oder zerrissen spricht, denke  ich, dass es sich da um mehrere Ebenen  handelt. Einerseits zunächst der Riß im Herzen. Man mußte sich praktisch als Kind damals das Gewohnte herausreißen und natürlich auch die gewohnte Umgebung, ja. Als man dann im Westen war, war nicht nur der Riß im Herzen Ausdruck, sondern irgendwann kam zum Ausdruck, dass man sich innerlich zerrissen fühlte, zwischen zwei Welten – nämlich dem, was zurückgeblieben war und dem, in dem man jetzt sich wiederfand. Und ich glaube, dass diese Zerrissenheit den Zustand Deutschlands heute noch spiegelt. 

O-Ton Rezensent:
Dieser Riß zieht sich durch das gesamte Buch. Er ist quasi der Motor der vorliegenden Texte  und die gemeinsame  Mitte.  Die Freiheit der Erwachsenen ist nicht gleich die Freiheit der Heranwachsenden. Jeder hat seine eigene  Betroffenheit.  Wird die „Ausreise“  am Ende auch positiv bewertet, teils als das Beste, was geschehen konnte, fällt die Ankunft im Westen auch „schwer“. 

O-Ton Herausgeber (Susanne Schädlich):
Als diejenigen, die wir von der DDR in die Bundesrepublik kamen, war’s eben doch nicht so. Man kam von Deutschland nach Deutschland. In das, was man kam, das war fremd, und das war vor allem darauf zurückzuführen, dass unterschiedliche Sozialisierungen stattgefunden hatten. Im Grunde kann man das tatsächlich darauf reduzieren, dass es kein Spaziergang war, von Deutschland nach Deutschland zu kommen.

O-Ton Rezensent:
Verjagte sind die Kinder des Herakles. Am Ende steht die Freiheit. Die vorliegenden Texte sind originär erzählte Auseinandersetzungen im Umgang mit dem Unvorhergesehen sowie einer neuen Freiheit, die erst noch zu knacken ist - und wohl des Prädikates „besonders wertvoll“ wert.


Donnerstag, 19. April 2012

Gestorben: Zum Tod von Siegfried Heinrichs

Siegfried Heinrichs (04.Oktober 1941-08.April 2012)
R.I.P
Die Funk Reportage über sein Leben bald auch in einem Buch:

Eine Reportage über das turbulente Leben Siegfried Heinrichs hier: 

  Siegfried Heinrichs, Schriftsteller und Verleger (4.10.1941 - 8.4.2012),
 lesend. Berlin 2007. Foto: UOKG / Achiv: Utz Rachowski

 Siegfried Heinrichs und Utz Rachowski im November 2010 in Berlin Neukölln.
Foto: Privat [mit freundlicher Genehmigung von HORCH UND GUCK]

Mir freundlicher Genehmigung von: HORCH UND GUCK
Zeitschrift zur kritischen Aufarbeitung der SED-Diktatur
Winsstr. 60, 10405 Berlin
Tel: 030/88552170 (Redaktion), 030/24725604 (Vertrieb)
E-Mail: info@horch-und-guck.info
Internet: www.horch-und-guck.info
Betreff: Utz Rachowski: In Memoriam Siegfried Heinrichs

Siegfried Heinrichs schrieb in seinem sehr empfehlenswerten Buch "Die Vertreibung
oder Skizzen aus einem sozialistischen Gefängnis"* über sich selbst:

„Siegfried Heinrichs, geboren 1941, glücklicherweise auf dem Lande, dort Kindheit,
Schule, groß geworden in häuslicher Isolation, Ziegen hütend, des Nachbarn Äpfel und
Pflaumen plündernd. Meiner Mutter Sorgenkind durch Krankheiten, Schwierigkeiten in
der Erziehung eines frühzeitig Ungehorsamen.“ 1963 beginnt Heinrichs zu schreiben:
an einem Roman und Gedichte und vertraut die kritischen Schriften seinem Bruder an.
Doch dieser, ein SED-Mitglied, denunziert ihn.

Was folgt sind drei Jahre Haft im Zuchthaus Waldheim, wo Siegfried Heinrichs mit dem
ebenfalls aus politischen Gründen inhaftierten Maler Sieghard Pohl eine enge
Freundschaft schließt. Heinrichs war im Februar 1964 verhaftet worden, wie er 1980
schreibt: „wegen Verbreitung und Herstellung staatsgefährdender Schriften gegen
Mauer, Stacheldraht und Maulverbot Andersdenkender“. Ab 1974 lebte er als Lyriker,
Verleger und Angestellter in West-Berlin.
Der Schriftsteller Utz Rachowski hat auf seinen Tod am 8. April 2012 aufmerksam
gemacht.

* Die Vertreibung oder Skizzen aus einem sozialistischen Gefängnis (Berlin:
Europäische Ideen, 1980)

gh
[Gerold Hildebrand]

In Memoriam Siegfried Heinrichs

Am Ostersonntag 2012 verstarb in Berlin im Alter von 70 Jahren der Schriftsteller
und bedeutende Verleger Siegfried Heinrichs. 1985 hatte der aus der DDR stammende
und nach drei Jahren politischer Haft ausgebürgerte Autor den renommierten
OBERBAUMVERLAG übernommen und bis zu seinem Tod weitergeführt. In diesem Verlag
erschienen unter Heinrichs Leitung bis zum Fall der Mauer vor allem die in ihrem
Heimatland zensurverstümmelten russischen Autoren wie Anna Achmatowa, Maria
Zwetajewa, Boris Pasternak, Sergej Samjatin, Sinaida Hippius u.v.a. Einen
verlegerischen Paukenschlag führte Siegfried Heinrichs mit der Wiederentdeckung und
Herausgabe der Werke von Sándor Márai, den er, und damit die gesamte ungarische
Literatur wieder ins europäische Bewusstsein hob. Diese wiedergefundene
Aufmerksamkeit trug schließlich bei zur Verleihung des Nobelpreise 2002 an Imre
Kertész. Siegfried Heinrichs selbst war vor allem Lyriker und debütierte 1978 mit
dem Band Mein schmerzliches Land, zuletzt erschien von ihm der Prosaband Meines
Großvaters Dorf. Heinrichs liegt in Berlin-Steglitz begraben. (Utz Rachowski) 

 Eine Auswahl der von Siegfried Heinrichs
verlegten Bücher von Sándor Márai:

 Land, Land. Erinnerungen
 Land, Land 2. Erinnerungen
 
Bekenntnisse eines Bürgers. Roman
 
Tagebücher 1. Auszüge, Fotos,  Briefe und Dokumentantionen.
 Aus d. Ungar. v. Hans Skirecki. Textkrit. leicht gek. Ausgabe. Hrsg. v. Siegfried Heinrichs
 Tagebücher Bd. 2. 1984-1989.
Aus d. Ungar. v. Hans Skirecki. Textkrit. leicht gek. Ausgabe. Hrsg. v. Siegfried Heinrichs
 
Tagebücher Bd.3. 1976-1983
 Aus d. Ungar. v. Hans Skirecki. Textkrit. leicht gek. Ausgabe. Hrsg. v. Siegfried Heinrichs
 



sowie:
Bd.4.1968-1975;Bd.51958-1967; Bd.6 1945-1957; Bd.71943-1944
alle aus d. Ungar. v. Hans Skirecki. Textkrit. leicht gek. Ausgabe. Hrsg. v. Siegfried Heinrichs
Quelle:
Buch 24.de Verlag: Oberbaum

Über Siegfried Heinrichs aktuell lesenswert auch hier:























































































































































Ein Leben für die – im kommunistischen Herrschaftsbereich – unterdrückte Literatur
sowie:
Utz Rachowski In Memoriam Siegfried Heinrichs




Offener Brief: An den Geschäftsführer Lars Kleba, Die Linke Sachsen, und Protestschreiben des P.E.N. Zentrums deutschsprachiger Autoren gegen die Willkürmaßnahme des Oberbürgermeisters von Reichenbach (Vogtland), Henry Ruß

Die Linke Sachsen Lars Kleba Cottaer Str. 6c 01159 Dresden Tel.: 0351 85327-0 Fax: 0351 85327-20 kontakt@dielinke-sachsen.de Sehr geehrter H...